Ob zu Hause, in der Schule, im Büro oder in der Freizeit: Ohne es zu merken begegnen wir im Alltag unzähligen Normen. Das beginnt schon beim Frühstück: Einheitliche Normen sorgen dafür, dass der Kühlschrank die richtige Temperatur hat, die Butter nicht zu hart ist und der Kaffee den richtigen Koffeingehalt hat. Doch was genau ist eigentlich eine Norm und wer legt sie fest? Hierzulande gibt es dafür das DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Seit fast 100 Jahren sorgen die DIN-Mitarbeiter von Berlin aus dafür, dass uns Normen das Leben leichter machen. Die wohl bekannteste Norm, das Papierformat DIN A 4, gibt es bereits seit 1922. Seitdem wurden die unterschiedlichsten Normen veröffentlicht. Es gibt nicht nur Normen für Produkte wie Taschenrechner, Kugelschreiber, Kontaktlinsen, Fußballtore und Wunderkerzen, sondern auch für Dienstleistungen wie zum Beispiel Umzüge oder den öffentlichen Personenverkehr. Auch in einem Auto „verstecken“ sich zahlreiche Normen, von denen viele zur Verkehrssicherheit beitragen. Es gibt zum Beispiel einheitliche Normen für Räder und Felgen, Bremssysteme, Airbags und Kindersitze.
Normen sind Vorschläge
„Eine Norm ist kein Gesetz, sondern eine Empfehlung“, erklärt De-Won Cho, Wirtschaftsingenieur beim DIN. Jedes Unternehmen kann selbst entscheiden, ob es sich daran hält. Doch natürlich bringt das Einhalten von Normen Vorteile: Normen garantieren nicht nur Herstellern, sondern auch ihren Kunden, dass alles so funktioniert, wie es soll – das schafft Vertrauen und kurbelt die Wirtschaft an. Jedes Jahr tragen Normen so mit etwa 17 Milliarden Euro zum Bruttosozialprodukt bei. Wie eine Norm definiert ist, entscheidet nicht das DIN alleine. Mehr als 30.000 Experten von Unternehmen und Organisationen helfen dabei, aus einer Idee eine allgemeingültige Norm zu machen.
Jede Idee kann eine Norm werden
Einen Normungsantrag kann jeder stellen. Die inhaltliche Bearbeitung übernimmt der zuständige Normenausschuss. Davon gibt es beim DIN über 70, zum Beispiel für die Bereiche Bauwesen, Automobilwesen oder Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte. Diese wiederum unterteilen sich in Arbeitsausschüsse, die sich aus Experten, Herstellern, Anwendern, Behörden, Verbänden, Prüfstellen und Verbrauchern zusammensetzen. Ein Arbeitsausschuss besteht aus maximal 21 Personen, die nach festgelegten Grundsätzen eine allgemeingültige Norm erarbeiten. „Die DIN-Mitarbeiter betreuen und koordinieren die Ausschüsse und kümmern sich darum, dass die Zusammensetzung ausgewogen ist und jeder seine Vorschläge einbringen kann“, sagt De-Won Cho. Sie selbst sind zu Neutralität verpflichtet.
Hat sich ein Ausschuss auf einen Norm-Entwurf geeinigt, wird dieser der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Vier Monate lang hat dann jeder Interessierte Gelegenheit, den Entwurf zu kommentieren, Verbesserungsvorschläge zu machen oder einen Einspruch einzulegen.“ Liegt ein Einspruch vor, wird dieser vom Arbeitsausschuss geprüft und gegebenenfalls in den Entwurf miteinbezogen. Bis schließlich das Arbeitsergebnis im Konsens, also mit Zustimmung aller Beteiligten, veröffentlicht werden kann, dauert es in der Regel zwei bis drei Jahre.
Mehr als 2.000 Normen jährlich
Natürlich kann es passieren, dass eine Norm irgendwann veraltet. Etwa, weil sie nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht. „Deswegen wird jede Norm alle fünf Jahre von uns überprüft. Ist sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit, tritt der Fachausschuss zusammen und aktualisiert die Inhalte“, erläutert De-Won Cho. Besteht überhaupt kein Bedarf mehr, kann es auch passieren, dass die Norm ersatzlos zurückgezogen wird. Etwa 2.100 neue und überarbeitete Normen werden jedes Jahr vom DIN veröffentlicht. Insgesamt sind es über 33.000 Stück. Es gibt sogar eine Norm für Normen: DIN 820 beschreibt, wie ein Normungsprozess abläuft. Trägt eine Norm das Kürzel „EN“, bedeutet das, dass sie europaweit gültig ist. Internationale Normen heißen „ISO“. Das DIN arbeitet eng mit europäischen und internationalen Normungsorganisationen zusammen. Daher sind die Mitarbeiter des DIN auch regelmäßig im Ausland unterwegs und besuchen dort Experten und Unternehmen.
De-Won Cho kümmert sich um innovative Themen
Wirtschaftsingenieur De-Won Cho hat eine besonders spannende Aufgabe beim DIN: Er arbeitet im Bereich „Innovation“. „Hier kümmern wir uns um Themen, die so neu sind, dass zu diesen Themen teilweise noch gar kein Normenausschuss existiert“, erklärt der 35-Jährige. Häufig handelt es sich dabei um Ergebnisse aus dem Bereich Forschung und Entwicklung. Damit neue Technologien den Anwendern möglichst schnell zur Verfügung stehen, gibt es die sogenannte DIN SPEC. Die Erarbeitung einer DIN SPEC kostet viel weniger Zeit als bei einer „normalen“ Norm, weil nicht alle interessierten Kreise miteinbezogen werden müssen. „Unser Ziel ist es, möglichst frühzeitig innovative Themen zu erkennen und sie zügig voranzutreiben.“ Deshalb arbeiten De-Won Cho und seine Kollegen mit Forschungsinstituten und Universitäten zusammen.
„Ich finde es unglaublich spannend, ständig Einblicke in hochaktuelle Themen zu bekommen.“ Eines davon ist die Elektromobilität. Mit Strom betriebene Elektroautos haben das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Doch während man ein Fahrzeug, das mit Benzin betrieben wird, an jeder Tankstelle auf der ganzen Welt befüllen kann, gab es für Elektroautos bisher keine einheitlichen Ladestationen. Das soll sich mit der DIN SPEC 91286: Damit soll man jedes Elektroauto an jeder Stromtankstelle aufladen können – ein wichtiger Schritt Richtung Zukunft, der die Elektromobilität weiter voran bringen wird.
Hinweis: Die in diesem Text enthaltenen Informationen und Aussagen werden von unserem Team sorgfältig recherchiert und geprüft. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass dieser Text keinen wissenschaftlichen Anspruch erhebt. Die primäre Zielsetzung unserer Blogartikel besteht darin, junge Leserinnen und Leser für MINT-Themen zu begeistern und komplexe Inhalte in einer verständlichen Form zu vermitteln.
Stand: September 2013